Ohne Überschrift 2

 
Was fehlt mir am Meisten?
Am Meisten fehlt mir die Person, mit der ich mich geistig, seelisch und körperlich austauschen könnte.
Eine solche Person gibt es in meinem Leben nicht.
Eine Person, mit der ich mich geistig, seelisch und körperlich austauschen könnte,
wäre eine Person,
die an meinen literarischen Werken interessiert wäre
und alle meine Werke mit mir besprechen würde.
Nur mit dieser Person wäre Liebe möglich.
Nur mit dieser Person wäre die Erfahrung der seelischen Tiefe möglich.
Nur mit dieser Person wäre ein wirklich erfülltes menschliches Leben möglich.
 
Mein ganzes Leben lang habe ich mich zutiefst nach dieser Person gesehnt.
Mein tiefstes Sehnen wurde in meinem Leben nie gestillt, nie erfüllt.
Das Leben zwingt mich zum Allein-Sein.
Unerträgliche Einsamkeit ist mein Lebensbegleiter von meiner Geburt bis zu meinem Tod.
Der Mensch kommt allein, lebt allein und geht allein.
Wie kann er sein schweres Schicksal ertragen?
 
Die Einsamkeit macht sein Leben sinnlos.
Es quält ihn die Verzweiflung an der Einsamkeit und der Sinnlosigkeit.
Der Tod rückt jeden Tag näher, der Abgrund des Nichts.
Es packt ihn die Angst vor dem Abgrund des Nichts.
Es droht die Vernichtung von allem, was er ist und hat.
Ist die Vernichtung von allem die Erlösung?
 
Was ist der Tod?
Ist der Tod die totale Bewusstlosigkeit?
Oder ist er das totale Bewusst-Sein?
Ist das Nichts das Ende?
Oder ist das Nichts ein Neuanfang im absoluten Einen?
Wir leben, um das Sterben zu lernen.
Sterben kann man nur allein.
Wir leben, um das Allein-Sein zu lernen.
 
Die eine Person, die mich versteht, fehlt mir trotzdem am Meisten,
die eine Person, die meine Werke mit mir bespricht.
Die eine Person, mit der ich mich geistig, seelisch und körperlich austauschen könnte.
Die eine Person, mit der ich die Tiefe in allen und allem erfahren könnte,
das göttliche Sein.
Die eine Person, sie fehlt mir am Meisten.
 
Kein einziger Mensch kennt mich so, wie ich wirklich bin.
Kein einziger Mensch liebt mich so, wie ich wirklich bin.
Niemand kennt mich, niemand mag mich, niemand liebt mich.
Jeden Tag bekomme ich Schläge und Schimpfe.
So war es in meiner Kindheit und so ist es noch heute.
In meiner Kindheit hatte ich noch die eine Person. Sie war meine Oma.
Die Person, die ich heute habe, ist wie meine Mutter.
Von meiner Oma fühlte ich mich geliebt, von meiner Mutter nicht.
Meine Oma fehlt mir am Meisten.
 
Von zwei Menschen, meiner Oma und meinem Opa, und von meinen sechs Hunden,
Molly, Susi 1, Edgar, Tappsel, Susi 2 und Jimi fühlte ich mich geliebt,
von niemandem sonst.
Meine Oma, mein Opa, Molly, Susi 1, Edgar, Tappsel, Susi 2 und Jimi,
sie fehlen mir am Meisten.
 
"Wie kannst du so über deine Mutter schreiben?"
"Wie kannst du so über deine Frau schreiben?"
"Wie kannst du so über deine Familie schreiben?"
"Wie kannst du so über die Leute schreiben?"
 
Sie machen mir Gefühle der Schuld, weil ich schreibe, wie ich es sehe und fühle.
Sie machen mir Vorwürfe, weil ich die Wahrheit so schreibe, wie sie aus meiner Sicht ist.
 
Dorf im Bohnental, den 30. April 2020
Hans-Erich Kirsch